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War Louis Pasteur ein Kreationist?

Als ich neulich im Internet eine Suchanfrage zu dem berühmten Chemiker Louis Pasteur (1822-1895) machte, staunte ich nicht schecht, als einer der ersten Treffer eine kreationistische Webseite war. Louis Pasteur hatte gezeigt, dass Mikroorganismen nicht spontan entstehen, sondern nur durch Vermehrung schon vorhandener Mikroorganismen. Darauf verweisen Kreationisten, um zu argumentieren, dass das Leben auf der Erde nicht aus unbelebter Materie entstanden sein kann. Pasteur hat damit aus ihrer Sicht Evolution widerlegt, und deshalb wird er von ihnen vereinnahmt, zumal er sich auch skeptisch gegenüber der damals ganz neuen Theorie Darwins äußerte. Bevor wir diskutieren, ob Pasteur als Kreationist verstanden werden kann, sollten wir den Begriff klären: In einem allgemeinen Sinn sind alle, die glauben, dass Gott der Schöpfer der Welt und des Lebens ist, Kreationisten. In diesem Sinne bin ich es auch. Schon der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin lehrte, dass wir zwischen Erst- und Z...

Francesco Redi, die Kirche und die Lehre von der Spontanzeugung

In der Antike und im Mittelalter war der Glaube, dass gewisse Lebewesen spontan entstehen können, weit verbreitet. Diese sogenannte Spontanzeugung schien durch Beobachtung belegt: In verwesendem Fleisch bilden sich Maden, nach der Überflutung der Nilufer kommen Frösche aus dem Schlamm, und in Kornspeichern wimmelt es auf einmal von Mäusen. So lehrte zum Beispiel der berühmte griechische Philosoph Aristoteles (4. Jh. v. Chr.), der die belebte Natur intensiv untersuchte, in seinen biologischen Schriften die Spontanzeugung, insbesondere bei Insekten. Da Insekteneier mit bloßem Auge kaum zu erkennen und zudem oft gut versteckt sind, wusste man damals von vielen Insektenarten nicht, dass sie Eier legen. Da es keinen Grund gab, an der Spontanzeugung zu zweifeln, wurde die Lehre von der Spontanzeugung schon von der frühen Kirche in die christliche Theologie integriert. Im Unterschied zu Aristoteles betrachteten die Kirchenväter aber die spontane Entstehung von Lebewesen nicht als etwas, was d...

Nachruf auf Jane Goodall

Am 1. Oktober starb die berühmte Schimpansenforscherin Jane Goodall. Ihre Forschung revolutionierte unsere Sicht auf Menschenaffen und zeigte, dass sie uns in mehrerer Hinsicht ähnlicher sind, als wir dachten. Jane Goodall wurde im Jahr 1934 in London geboren und wuchs an der englischen Südküste auf. Nach der Schule arbeitete Goodall zunächst als Sekretärin, da sie sich ein Universitätsstudium nicht leisten konnte. 1957 erfüllte sie sich jedoch ihren Kindheitstraum und reiste nach Afrika, wo sie den bekannten Paläoanthropologen Louis Leakey kennenlernte. Leakey erkannte ihr außergewöhnliches Beobachtungstalent und schickte sie 1960 nach Tansania, um das Verhalten wildlebender Schimpansen im Gombe-Stream-Nationalpark zu erforschen. Mit viel Geduld gewann sie das Vertrauen der Schimpansen und konnte die Tiere aus nächster Nähe beobachten. Sie entdeckte, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und gezielt einsetzen. Sie benutzen Grashalme, um Termiten aus ihren Bauten zu fischen, und verw...

Glaubte man im Mittelalter wirklich an die flache Erde?

Haben Sie auch in der Schule gelernt, dass Christopher Kolumbus von kirchlichen Vertretern gewarnt wurde, er würde nicht Indien erreichen, sondern vom Rand der Erde herunterfallen, wenn er immer weiter nach Westen segeln würde? Diese Geschichte ist erfunden, doch sie tauchte ab ca. dem Jahr 1880 in Schulbüchern auf und hat sich bis heute gehalten. Wie entstand dieser Mythos, wieso ist er so weit verbreitet, und was wussten gebildete Menschen und Kirchenvertreter im Mittelalter tatsächlich über die Gestalt der Erde? Dass die Erde eine Kugel ist, wussten die griechischen Denker schon einige Jahrhunderte vor Christus. Pythagoras und Platon glaubten beide an die Kugelgestalt der Erde. Aristoteles brachte im 4. Jahrhundert v. Chr. ein einfaches Argument dafür: die Erde wirft bei Mondfinsternissen einen runden Schatten auf den Mond. Eratosthenes berechnete im 3. Jahrhundert v. Chr. sogar den Erdumfang: Er beobachtete, dass in Assuan zur Sommersonnenwende ein Brunnen komplett beleuchtet war...

Wunder im Alten Testament

Wunderberichte sind für mich als Physikerin eine Herausforderung. Es scheint nicht stimmig, dass Gott die Welt gesetzmäßig geschaffen hat und dann immer wieder die von ihm verordneten Gesetze übertritt. Daher bin ich zunächst skeptisch, wenn ich eine Wundergeschichte höre oder lese. Es muss schon einen tieferen Grund für die Abweichung vom normalen Ablauf der Natur geben, damit ich ein Wunder akzeptiere. C.S. Lewis verglich Gott einmal mit einem Dichter, der sich für sein Werk ebenso wie Gott Gesetze vorgibt: das Reimschema und den Rhythmus. Wenn der Dichter an einer Stelle davon abweicht, dann will er damit einen besonderen Effekt erzielen oder etwas Besonderes ausdrücken (vorausgesetzt er ist kein schlechter Dichter, der es einfach nicht besser kann). Er folgt sozusagen der tieferen Logik seines Werks. Mit den Wundern, die Jesus tat, habe ich deswegen keine Probleme, weil ich einen tieferen Grund für sie sehe: sie sind ein Vorgeschmack der neuen Schöpfung ohne Krankheit und Leid, di...

Ein frommer Saurierforscher

 Friedrich Freiherr von Huene, seit 1898 Professor für Paläontologie in Tübingen, war zu seiner Zeit der führende Experte für fossile Reptilien und Amphibien in Europa und war weltweit insbesondere als Fachmann für Dinosaurier bekannt (so der Wikipedia-Eintrag zu seiner Person). Gleichzeitig war er ein gläubiger Christ, der die ganze Bibel als Gottes Wort betrachtete. Im Jahr 1937 schrieb er ein Büchlein mit dem Titel „Weg und Werk Gottes in Natur und Bibel“, in dem er seinen Mitchristen aufzeigt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erdgeschichte und der Entwicklung des Lebens und des Menschen „Tatsachen“ sind, und erläutert, wie sie mit der biblischen Schöpfungs- und Heilsgeschichte zusammenpassen. Dieses Büchlein konnte ich gebraucht über das Internet bestellen und möchte einige Gedanken daraus weitergeben. Das Vorwort schrieb Huenes Kollege Karl Heim von der Fakultät für evangelische Theologie. Dort heißt es: In der Gemeinde der Gläubigen sind heute viele von der Fra...

Qigong, der Glaube und die Wissenschaft

Vor gut einem Jahr erzählte mein Mann zwei Bekannten von uns, dass ich Qigong praktiziere, um mein vegetatives Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen. Die Bekannten wunderten sich darüber und warnten, dass Qigong nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar sei und dass man sich dadurch feindlichen Mächten öffne. In der Tat ist Qigong verbunden mit einem Lehrgebäude, das verschieden ist von der christlichen Vorstellung über die Quelle des Lebens und das Verhältnis des Menschen zur Natur. Qigong ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und basiert auf dem Konzept einer alles durchdringenden Energie oder Lebenskraft, dem Qi (ausgesprochen als „tschi“). Gong bedeutet Pflege, Kultivierung. In Wikipedia lesen wir: „Die chinesische Medizin geht davon aus, dass der Fluss des Qi, seine Qualitäten und seine Veränderungen für das Wohlbefinden oder das Auftreten von Krankheiten verantwortlich sind.“ In den Übungen, die ich anhand von Videos eines Kurses machte, war die Rede d...

Wer oder was hat mich geheilt?

Vor wenigen Wochen habe ich mich bei meinem Arbeitgeber, der TU Darmstadt, wieder gesund gemeldet – nach 21 Monaten Krankschreibung. Ich bin zwar noch längst nicht so leistungsfähig wie vor der Erkrankung an Long Covid und benötige regelmäßige Ruhepausen, aber ich kann wieder arbeiten und am Leben teilhaben. Fast 15 Monate lang war ich durch die Krankheit so stark eingeschränkt, dass ich nicht Fahrrad fahren und nicht weit gehen konnte. Auch das Stehen war anstrengend, so dass ich das Zähneputzen und Waschen immer im Sitzen machte. Ich war bis auf Taxifahrten zu Ärzten oder zum Friseur weitgehend an die Wohnung gebunden. Mein Mann machte fast den gesamten Haushalt. Zeitenweise konnte ich noch nicht einmal zum Essen in die Küche kommen und dort auf dem Hocker sitzen. Auch der Weg vom Sofa ins Bad war dann so anstrengend, dass ich ihn so selten wie möglich machte. (Ich berichtete im Januar vergangenen Jahres von der ersten Zeit meiner Erkrankung.) Zweimal war ich im Krankenhaus. Ich füh...

Wie erschafft Gott?

Anfang dieses Jahres erschien das Buch „Schöpfung und Evolution? Drei Wissenschaftler. Drei Positionen. Eine Debatte.“ Siegfried Scherer, Reinhard Junker und ich stellen in diesem Buch jeweils unsere Position zu „Schöpfung und Evolution“ dar und beziehen in einer zweiten Runde Stellung zu den Texten der beiden anderen. Zum Abschluss geht jeder von uns auf diese Stellungnahmen ein. Reinhard Junker vertritt die Position der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“, dass die Erde und das Universum jung sind und dass alle biologischen Grundformen fertig und nahezu gleichzeitig geschaffen wurden. Er untermauert sein Verständnis von Gottes Erschaffen mit biblischen Texten. Er erläutert dies anhand der Heilung eines Leprakranken durch Jesus (Markus 1, 40-42): Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. Und es jammerte ihn, und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will’s tun; sei rein! Und a...

Harald Lesch und der Sinn des Lebens

In der zweiten Folge der Doku-Reihe „Die großen Fragen“ mit Harald Lesch geht es um die Frage: „Was ist der Sinn des Lebens?“ Die Sendung ist ebenso wie die vorige sehr gut gemacht. Harald Lesch beleuchtet als Wissenschaftler von vielen Seiten die Frage nach dem Sinn des Lebens. Er beginnt mit der Beobachtung, dass der Mensch das einzige Lebewesen ist, das die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt. Nur wir Menschen sind uns unserer Vergänglichkeit bewusst. „Es gibt keine größeren Fragen als die nach dem Warum und Wozu.“ Das älteste uns bekannte Schriftzeugnis zur Sinnfrage ist das Gilgemesch-Epos, das vor fast 5000 Jahren auf sumerischen Keilschrifttafeln niedergeschrieben wurde. Der König Gilgamesch begibt sich nach dem Tod seines Freundes auf die Suche nach der Unsterblichkeit und erkennt schließlich, dass er sie nur gewinnt, wenn er die Herzen der Menschen gewinnt. So findet er schließlich den Sinn seines Lebens darin, ein guter König zu sein. Über die Jahrhunderte haben sich v...

Harald Lesch und die Frage nach Gott

Kürzlich strahlte das ZDF eine Terra X-Sendung mit Harald Lesch zur Frage „Gibt es Gott?“ aus. Harald Lesch ist bekannt dafür, dass er an Gott glaubt. Er hat sich zum Beispiel in einem Interview im Jahr 2010 als „Protestant vom Scheitel bis zur Sohle“ bezeichnet. Daher war ich sehr gespannt zu erfahren, was er in der Sendung sagt. Mein Eindruck ist gemischt: Die Sendung ist, wie man es bei Terra X gewohnt ist, gut gemacht, und es werden viele Aspekte der Frage nach Gott angeprochen: Die Feinabstimmung im Universum, die Komplexität biologischer Systeme, Krankenheilungen in Lourdes, das „religiöse Zentrum“ in unserem Gehirn, die Religiosität der Steinzeitmenschen, die Frage nach dem Leid und Gottesbeweise. Lesch stellt bei allen Themen beide Seiten dar: Argumente, die für Gott vorgebracht wurden und Gegenargumente. Einige seiner Aussagen sind dabei richtig gut: Die Beobachtung, dass die Stimulierung gewisser Hirnregionen mit religiösen Erfahrungen einhergeht, kommentiert er so (25:50...