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Qigong, der Glaube und die Wissenschaft

Vor gut einem Jahr erzählte mein Mann zwei Bekannten von uns, dass ich Qigong praktiziere, um mein vegetatives Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen. Die Bekannten wunderten sich darüber und warnten, dass Qigong nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar sei und dass man sich dadurch feindlichen Mächten öffne. In der Tat ist Qigong verbunden mit einem Lehrgebäude, das verschieden ist von der christlichen Vorstellung über die Quelle des Lebens und das Verhältnis des Menschen zur Natur. Qigong ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und basiert auf dem Konzept einer alles durchdringenden Energie oder Lebenskraft, dem Qi (ausgesprochen als „tschi“). Gong bedeutet Pflege, Kultivierung. In Wikipedia lesen wir: „Die chinesische Medizin geht davon aus, dass der Fluss des Qi, seine Qualitäten und seine Veränderungen für das Wohlbefinden oder das Auftreten von Krankheiten verantwortlich sind.“ In den Übungen, die ich anhand von Videos eines Kurses machte, war die Rede d

Wer oder was hat mich geheilt?

Vor wenigen Wochen habe ich mich bei meinem Arbeitgeber, der TU Darmstadt, wieder gesund gemeldet – nach 21 Monaten Krankschreibung. Ich bin zwar noch längst nicht so leistungsfähig wie vor der Erkrankung an Long Covid und benötige regelmäßige Ruhepausen, aber ich kann wieder arbeiten und am Leben teilhaben. Fast 15 Monate lang war ich durch die Krankheit so stark eingeschränkt, dass ich nicht Fahrrad fahren und nicht weit gehen konnte. Auch das Stehen war anstrengend, so dass ich das Zähneputzen und Waschen immer im Sitzen machte. Ich war bis auf Taxifahrten zu Ärzten oder zum Friseur weitgehend an die Wohnung gebunden. Mein Mann machte fast den gesamten Haushalt. Zeitenweise konnte ich noch nicht einmal zum Essen in die Küche kommen und dort auf dem Hocker sitzen. Auch der Weg vom Sofa ins Bad war dann so anstrengend, dass ich ihn so selten wie möglich machte. (Ich berichtete im Januar vergangenen Jahres von der ersten Zeit meiner Erkrankung.) Zweimal war ich im Krankenhaus. Ich füh

Wie erschafft Gott?

Anfang dieses Jahres erschien das Buch „Schöpfung und Evolution? Drei Wissenschaftler. Drei Positionen. Eine Debatte.“ Siegfried Scherer, Reinhard Junker und ich stellen in diesem Buch jeweils unsere Position zu „Schöpfung und Evolution“ dar und beziehen in einer zweiten Runde Stellung zu den Texten der beiden anderen. Zum Abschluss geht jeder von uns auf diese Stellungnahmen ein. Reinhard Junker vertritt die Position der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“, dass die Erde und das Universum jung sind und dass alle biologischen Grundformen fertig und nahezu gleichzeitig geschaffen wurden. Er untermauert sein Verständnis von Gottes Erschaffen mit biblischen Texten. Er erläutert dies anhand der Heilung eines Leprakranken durch Jesus (Markus 1, 40-42): Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. Und es jammerte ihn, und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will’s tun; sei rein! Und a

Harald Lesch und der Sinn des Lebens

In der zweiten Folge der Doku-Reihe „Die großen Fragen“ mit Harald Lesch geht es um die Frage: „Was ist der Sinn des Lebens?“ Die Sendung ist ebenso wie die vorige sehr gut gemacht. Harald Lesch beleuchtet als Wissenschaftler von vielen Seiten die Frage nach dem Sinn des Lebens. Er beginnt mit der Beobachtung, dass der Mensch das einzige Lebewesen ist, das die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt. Nur wir Menschen sind uns unserer Vergänglichkeit bewusst. „Es gibt keine größeren Fragen als die nach dem Warum und Wozu.“ Das älteste uns bekannte Schriftzeugnis zur Sinnfrage ist das Gilgemesch-Epos, das vor fast 5000 Jahren auf sumerischen Keilschrifttafeln niedergeschrieben wurde. Der König Gilgamesch begibt sich nach dem Tod seines Freundes auf die Suche nach der Unsterblichkeit und erkennt schließlich, dass er sie nur gewinnt, wenn er die Herzen der Menschen gewinnt. So findet er schließlich den Sinn seines Lebens darin, ein guter König zu sein. Über die Jahrhunderte haben sich v

Harald Lesch und die Frage nach Gott

Kürzlich strahlte das ZDF eine Terra X-Sendung mit Harald Lesch zur Frage „Gibt es Gott?“ aus. Harald Lesch ist bekannt dafür, dass er an Gott glaubt. Er hat sich zum Beispiel in einem Interview im Jahr 2010 als „Protestant vom Scheitel bis zur Sohle“ bezeichnet. Daher war ich sehr gespannt zu erfahren, was er in der Sendung sagt. Mein Eindruck ist gemischt: Die Sendung ist, wie man es bei Terra X gewohnt ist, gut gemacht, und es werden viele Aspekte der Frage nach Gott angeprochen: Die Feinabstimmung im Universum, die Komplexität biologischer Systeme, Krankenheilungen in Lourdes, das „religiöse Zentrum“ in unserem Gehirn, die Religiosität der Steinzeitmenschen, die Frage nach dem Leid und Gottesbeweise. Lesch stellt bei allen Themen beide Seiten dar: Argumente, die für Gott vorgebracht wurden und Gegenargumente. Einige seiner Aussagen sind dabei richtig gut: Die Beobachtung, dass die Stimulierung gewisser Hirnregionen mit religiösen Erfahrungen einhergeht, kommentiert er so (25:50

Was der Vater des Urknalls über Glaube und Wissenschaft sagte

Die Idee, dass das Universum einen Anfang hat und zunächst ganz klein und dicht war, wurde zuerst von dem belgischen Priester und Physiker Georges Lema ȋ tre (1894 -1966) vorgeschlagen. Ich habe in meinem Blogbeitrag zum Urknall erzählt, dass diese Idee zunächst vehement von der Mehrheit der Wissenschaftler abgelehnt wurde, weil dies zu sehr nach einem Schöpfungsprozess klingt. Man unterstellte Lema ȋ tre eine religiöse Motivation für seine Theorie. Doch dieser Vorwurf ist unberechtigt, denn Lema ȋ tre wusste zwischen Glauben und Wissenschaft zu unterscheiden, im Gegensatz zu einigen seiner Gegner, die offensichtlich von ihrer atheistischen Überzeugung motiviert waren. Es gibt nicht viele Äußerungen von Lema ȋ tre dazu, wie er das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft sah, doch kürzlich stieß ich auf einen interessanten Artikel zu diesem Thema. Lema ȋ tre beschloss schon im Alter von 9 Jahren, ein Wissenschaftler und ein Priester zu werden: „Es gab zwei Wege, die Wahrheit zu erkenne

Long Covid

Es hat mich getroffen: Long Covid. Genaugenommen kann ich nicht nachweisen, dass es Long Covid ist, denn die Schnelltests waren immer negativ. Und weil die Infektion, die im August im Urlaub geschah, so leicht war, machte ich keinen PCR-Test. Doch die Symptome passen nach Aussage mehrerer Ärzte genau zum Corona-Virus. Seit der Infektion war ich nur wenig körperlich belastbar und hatte insbesondere Mühe beim Treppensteigen. Da ich mich wohl nicht genügend schonte, verschlimmerte sich mein Zustand mehrfach. Nach acht Wochen ging gar nichts mehr: Ungefähr sechs Wochen lang lag ich tagsüber fast nur auf dem Sofa. Selbst der Weg ins Bad war anstrengend und trieb Blutdruck und Puls in die Höhe. Zum Waschen und Zähneputzen setzte ich mich, weil Stehen zu viel Kraft kostete. Mein Mann machte den gesamten Haushalt und brachte sogar das Essen ans Sofa, weil der Weg zum Hocker in der Küche zu mühsam war. Lesen und Email-Schreiben konnte ich nur in kleinen Portionen. Zoom-Besprechungen gingen gar

Ein Volk begegnet Gott

Glauben Sie an Geister? In unserer aufgeklärten westlichen Welt hört man immer wieder, dass der Glaube an Geister überholt sei und Phänomene, die man früher Geistern zugeschrieben hat, psychologisch oder medizinisch erklärbar seien. Das scheint in vielen Fällen zuzutreffen, doch können gewisse Erlebnisse, über die ich in Biographien und Erfahrungsberichten gelesen habe, m.E. dadurch nicht erklärt werden. Von einem solchen Buch möchte ich heute erzählen. Es ist das Buch „And the Word Came with Power“ von Joanne Shetler, das ich immer wieder gerne lese. Die Autorin lebte 20 Jahre lang auf den Philippinen unter dem Volk der Balangao und übersetzte in dieser Zeit das Neue Testament in ihre Sprache. Als sie im Jahr 1962 mit ihrer Teampartnerin Anne zu den Balangaos kam, gab es dort noch keinen Landestreifen für Flugzeuge. Man musste vom Ende der Straße, die von Manila kam, noch zwei Tagesmärsche wandern, bis man in dem von oben bis unten mit Reisterrassen bedeckten Tal ankam. Die Balangaos

Wie Noah und Joseph in die Wissenschaft eingingen

Haben Sie schon vom Noah-Effekt oder dem Joseph-Effekt gehört? Man findet diese Effekte in dem Zeitverlauf von täglichen Regenmengen, Börsenkursen, dem Wasserstand von Flüssen, den Budgets von Ministerien, der Anzahl von Sonneneruptionen und vielen mehr. Der Noah-Effekt ist nach der biblischen Geschichte von der Sintflut benannt und besagt, dass extreme Ereignisse viel schlimmer sein können, als eine naive statistische Berechnung nahelegt. Beispiele sind unerwartet verheerende Einbrüche der Börsenkurse oder ‚sintflutartige‘ Regenfälle. Der Joseph-Effekt bezieht sich auf die biblische Geschichte, in der Joseph die Träume des Pharao deutet und ihm ankündigt, dass erst sieben fette Jahre mit reicher Ernte kommen werden und dann sieben magere Jahre, in denen die Ernte fast ausbleibt (1. Mose 41). Passend dazu besagt der Joseph-Effekt, dass Trends über eine gewisse Zeit anhalten. Beide Effekte bedeuten, dass Zeitverläufe von Daten, so zufällig sie auch aussehen, sich anders verhalten als

Sollen Christen sich für die Umwelt einsetzen?

Neulich überhörte ich bei einem christlichen Treffen ein Gespräch, bei dem jemand sagte, dass die Sorge für die Umwelt für ihn als Christ kein vorrangiges Thema sei. Die Welt würde ja sowieso untergehen. Es sei viel wichtiger, ein paar hundert Kilometer mit dem Auto zu fahren, um einem Freund, der auf der Suche nach Gott sei, zu helfen, als auf diesen Kohlendioxidausstoß zu verzichten. Bei mir regte sich Widerspruch, und das gleich aus mehreren Gründen. Erstens werden hier zwei Aufgaben, die wir als Christen haben, gegeneinander ausgespielt, als würde die eine die andere ausschließen. Dabei ist doch die Sorge für die Schöpfung ebenso unsere Aufgabe wie das Verkündigen des Evangeliums. Freilich gibt es Situationen, in denen man verschiedene Werte gegeneinander abwägen muss, doch das steht nicht im Widerspruch dazu, dass sie alle wichtig sind. Zweitens wird die Zerstörung der Natur als etwas Unabänderliches dargestellt. Doch es gibt viele Möglichkeiten, den Schaden zu verringern und hie