Ich glaube … an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben

Am vergangenen Wochenende haben wir Ostern gefeiert. An diesem wichtigsten kirchlichen Fest denken die Christen an die Auferstehung Jesu von den Toten. Die Evangelien erzählen, dass am übernächsten Morgen nach der Kreuzigung einige Frauen aus dem Kreis der Jünger zu Jesu Grab gingen, um ihn einzubalsamieren. Doch sie fanden ein leeres Grab, und ein Mann in einem weißen Gewand sagte ihnen, dass Jesus auferstanden sei (Mk. 16,6). In den folgenden Tagen erschien der auferstandene Jesus nicht nur seinem engen Jüngerkreis, sondern sogar mehreren hundert Menschen, wie der Apostel Paulus berichtet (1. Kor. 15,5).

In demselben Kapitel schreibt Paulus, dass die Auferstehung Jesu der Beginn einer umfassenden Erneuerung der Schöpfung ist. Eines Tages werden alle Menschen auferstehen: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Wie sie in Adam alle sterben, werden sie in Christus alle lebendig.“ (Verse 20 und 22) Entsprechend heißt es am Ende des Apostolischen Glaubensbekenntnisses: „[Ich glaube] an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“.

Wie passt der Glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben zu dem, was die Physik über die Zukunft des Universums sagt? Die Kosmologie zeichnet auf Basis der bekannten Naturgesetze ein recht düsteres Bild: In einer Milliarde Jahren wird die Sonne so heiß, dass die Ozeane auf der Erde zu verdampfen beginnen. In fünf Milliarden Jahren bläht die Sonne sich zu einem roten Riesen auf. Dann wird die Erdoberfläche schmelzen, und irgendwann wird die Sonne sich wahrscheinlich so weit ausdehnen, dass sie die Erde verschlingt. Und wenn die Kernfusion in der Sonne in ca. 8 Milliarden Jahren aufhört, wird sie zu einem weißen Zwerg kollabieren, der ungefähr die Ausdehnung der Erde hat.

Nicht nur die Erde und die Sonne werden ihr Ende finden, sondern auch das Werden und Vergehen von Galaxien, Sternen und Planeten im Universum wird irgendwann zum Erliegen kommen. Soweit wir es absehen können, wird sich das Universum immer weiter ausdehnen. Irgendwann sind alle Sterne ausgebrannt; neue können sich dann nicht mehr bilden. Dann wird das Universum ein kalter, dunkler, toter Ort sein, der hauptsächlich schwarze Löcher, Neutronensterne und weiße Zwerge enthält.

Den wissenschaftlichen Prognosen über die Zukunft des Universums sollten wir allerdings nicht allzu sehr vertrauen. Das eben geschilderte Zukunftsszenario beruht auf sehr unvollständigem Wissen. Wir verstehen vieles an unserem Universum noch nicht, z.B. was hinter der „dunklen Materie“ und der „dunklen Energie“ steckt. Auch das Wesen der Zeit verstehen wir noch nicht. Wir haben noch nicht einmal das Problem der Interpretation der Quantenmechanik gelöst. Diese Verstehenslücken können freilich in Zukunft gefüllt werden. Doch wir werden nie dahin kommen, dass wir das Universum in Gänze verstehen. Die Physik wird immer nur eine unvollständige Beschreibung der Natur liefern, denn die physikalische Welt ist kausal offen für nichtphysikalische Einflüsse. Am deutlichsten sehen wir das an unserem Gehirn: Wenn wir Entscheidungen fällen, logische Überlegungen durchführen, kreative Ideen haben oder moralischen Werturteilen Raum geben, passen sich die elektrischen und chemischen Prozesse in unserem Gehirn diesen mentalen Prozessen an. Sie werden also durch geistige, nicht materielle Dinge beeinflusst.

Wegen der düsteren wissenschaftlichen Langzeitprognose wird die christliche eschatologische Hoffnung auf Gottes neue Welt oft in ein Anderswo verlegt, das mit unserem Kosmos keine Berührungspunkte hat. Dies ist entweder eine rein geistige Welt oder eine neue materielle Schöpfung, die mit der alten nichts zu tun hat, außer dass die nichtmateriellen Aspekte von uns Menschen, wie z.B. unser Bewusstsein und die Erinnerungen und was sonst noch unsere Identität ausmacht, wieder erschaffen werden oder weiterbestehen. Damit können sich die kosmologische Prognose und die christliche Zukunftshoffnung nicht aneinander reiben.

Schon in der frühen Kirche wurde die neue Welt, in der die Auferstandenen leben werden, von der alten Welt entkoppelt. Man stellte sich vor, dass die neue Schöpfung zeitlos und immateriell sei. Dies liegt am Einfluss der neuplatonischen Philosophie, gemäß der Zeitlichkeit und Materie ‚unvollkommen‘ sind. Eng damit verbunden war die Idee, dass in der neuen Schöpfung nur die Seelen rationaler Wesen fortbestehen, d.h. nur die Seelen der Menschen und keine Tiere oder Pflanzen oder gar die Erde.

Im Gegensatz dazu argumentiert der Theologe und Physiker David Wilkinson in seinem Buch „Christian Eschatology and the Future of the Universe“, dass Gottes verheißene neue Schöpfung etwas mit dieser Welt zu tun haben wird. Die jetzige Schöpfung wird eines Tages verwandelt werden. Eine wichtige Bibelstelle ist in diesem Zusammenhang Rö. 8,18-22: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.“ Dieser Text des Apostels Paulus besagt, dass die ganze Schöpfung erneuert und erlöst werden soll. Eine ähnliche Botschaft kann man dem ersten Kapitel des Kolosserbriefs entnehmen: Dort wird von Christus gesagt, dass durch ihn alles geschaffen ist, was im Himmel und auf Erden ist (Vers 16), und dass durch ihn auch alles mit Gott versöhnt wird, was im Himmel und auf Erden ist (Vers 20).

Laut Wilkinson und anderen Theologen weist auch die leibliche Auferstehung Jesu darauf hin, dass Gott seine neue Schöpfung nicht unabhängig von der alten gestaltet, sondern aus der alten hervorgehen lässt. Zwischen der neuen und alten Schöpfung gibt es dabei sowohl Kontinuität als auch Diskontinuität: Der neue Leib Jesu wurde aus dem alten geschaffen und trägt die Spuren der Kreuzigung. Gleichzeitig hat er völlig neue Eigenschaften und ist nicht mehr auf die frühere Weise an Raum und Zeit und Vergänglichkeit gebunden. Analog wird es Kontinuität und Diskontinuität zwischen der alten und neuen Schöpfung geben: Die Kontinuität besteht darin, dass die alte Schöpfung, also unsere Erde in die neue verwandelt wird. Gleichzeitig gibt es Diskontinuität, da diese Verwandlung nicht vorhergesehen werden kann, sondern auf das schöpferische Handeln Gottes zurückgeht. Dieser zukünftige, unvorhersehbare Eingriff Gottes in die Schöpfung kann sich nicht nur auf die Erde beschränken. Denn wenn der Rest des Universums nicht ebenfalls verwandelt würde, bliebe die Erde weiterhin gefährdet, weil Asteroiden oder Kometen auf sie einschlagen können und weil die Sonne sich irgendwann zum roten Riesen aufblähen und die Erde verbrennen würde. Gottes Neuschöpfung muss daher das ganze Universum umfassen.

David Wilkinson versucht, aus den biblischen Verheißungen einige Aspekte der neuen Schöpfung zu folgern: Das Wesen der Zeit wird deutlich anders als in der alten Schöpfung sein: Weil es keinen Tod mehr gibt (1. Kor. 15,26), wird es auch keinen Verfall mehr geben, sondern nur noch Wachstum und Entfaltung. Ebenso wie unsere Beziehung zur Zeit wird auch unsere Beziehung zum Raum verändert sein. Der auferstandene Jesus war nicht mehr in demselben Sinn wie vorher limitiert, sondern konnte in verschlossene Räume treten und in einem Augenblick von hier nach dort wechseln.

Die Tiere in der neuen Schöpfung werden ebenfalls von Vergänglichkeit und Leid durch Gefressenwerden befreit sein. Dies wird schon in den Zukunftsvisionen der alttestamentlichen Propheten angedeutet, wo „Kühe und Bären“ und „Wölfe und Schafe“ nebeneinander weiden werden (Jes. 8,7 und Jes. 65,25). Auch wenn das Fressen und Gefressenwerden zu Gottes alter, in den Psalmen als gut gepriesener, Schöpfung gehörte, war es gleichzeitig auch Teil des Leids, von dem die Schöpfung erlöst werden soll.

Die Hoffnung auf die Vollendung der Schöpfung ist nicht in unserem Wissen über die jetzige Welt begründet, sondern in der Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung. Dennoch stellt sich natürlich die Frage, wie und wann die Transformation der alten in die neue Schöpfung passieren wird. Wird es in naher Zukunft, also innerhalb der nächsten Generationen sein? Dies würde dem Zeitrahmen entsprechen, für den die Christen traditionell die Wiederkunft Jesu erwarten. Oder wird es erst in fernerer Zukunft sein, wenn die Menschheit oder gar alles Leben auf der Erde erlischt? Und wie wird diese Veränderung kommen? Durch eine Kopplung an andere Dimensionen? Durch einen kosmischen Phasenübergang? Durch den Übergang zu einer neuen emergenten Stufe? Wilkinson beantwortet diese Fragen nicht, aber er erwähnt durchaus verschiedene Denkmöglichkeiten, wie die neue Materie mit der alten in Beziehung stehen könnte: Es könnte neue Arten von Atomen geben, oder die alten Atome, aber in einem neuen Kontext, ggf. verbunden mit neuen Naturgesetzen, oder die Zeit könnte neue Dimensionen bekommen.

Natürlich sind solche Gedanken ein Stück weit müßig, da Gottes schaffendes Handeln gerade nicht etwas Vorhersagbares und mit den bisherigen Begriffen Beschreibbares ist. Diese Situation ist ähnlich wie die Geschichte von dem Hahn, die der Philosoph Bertrand Russell erzählte: Ein Hahn wächst auf einem Bauernhof auf. Dabei beobachtet er das folgende Gesetz: Jeden Morgen und jeden Abend kommt der Bauer und bringt ihm Futter. Der Hahn erwartet, dass das immer so weitergehen wird. Doch eines Tages kommt der Bauer – nicht um ihm Futter zu bringen, sondern um ihn zu schlachten.... Von diesem größeren Kontext, in den seine Beobachtung eingebettet war, hatte er keine Ahnung. Daher war auch seine Zukunftserwartung falsch.

Entsprechend beruht die christliche Zukunftshoffnung letztlich nicht auf den uns gewohnten Gesetzen, sondern auf Gottes Treue zu seiner Schöpfung und ihrer Erlösung durch Jesus. Daran hat uns das Osterfest vom vergangenen Wochenende erinnert, und darauf gründet sich auch meine Hoffnung.

Hinweise: Frühere Blogbeiträge, die sich mit ähnlichen Themen befassen, sind „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“ und Paulus, Adam und der Tod“. Eine Liste aller bisherigen Blogeinträge befindet sich hier.

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