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Es werden Posts vom Oktober, 2020 angezeigt.

Wie viele Israeliten zogen aus Ägypten?

Die Geschichten vom Auszug aus Ägypten und Bundesschluss am Sinai sind die zentralen Geschichten des Alten Testaments und in ihrer Bedeutung vergleichbar mit der Kreuzigung und Auferstehung Jesu im Neuen Testament. Sie stiften die Identität des Volkes Israel und seines Glaubens. Entsprechend häufig werden sie im Alten Testament erwähnt. Doch seit dem Aufkommen der Bibelkritik im 18. Jh. werden diese Geschichten in der universitären Theologie angezweifelt. Viele meinen, dass sie gar nicht historisch sind, sondern dass die Israeliten von Anfang an in Kanaan gelebt haben. Diejenigen, die der biblischen Version einen gewissen historischen Kern zugestehen, glauben, dass eine kleine Gruppe ä gyptischer Herkunft sich den in Kanaan wohnenden Israeliten angeschlossen hat. Die Zweifel an der biblischen Darstellung beruhen auf den wundersamen Elementen der Geschichten, auf fehlenden außerbiblischen Quellen, auf der scheinbar nicht in die damalige Zeit passenden Komplexität des

Am Anfang war der Urknall

Die Erforschung der Geschichte unseres Universums ist für mich eine der beeindruckendsten Errungenschaften der Naturwissenschaft. Wie die Physiker darauf kamen, dass das Universum mit dem „Urknall“ begann, und welche weltanschaulichen Diskussionen das auslöste, möchte ich heute erzählen. Nachdem man entdeckt hatte, dass die Erde Milliarden von Jahren alt ist (darüber habe ich im vorletzten Beitrag berichtet), war klar, dass das Universum mindestens genauso alt sein muss. Bis in die 1960er Jahre waren viele Wissenschaftler der Überzeugung, dass das Universum schon immer existiert hat, also keinen Anfang hatte. Einen plötzlichen Anfang empfand man als unästhetisch; die Naturgesetze schienen zeitlos gültig zu sein. Insbesondere wer glaubte, dass außer dem Universum nichts weiter existiert, musste eigentlich folgern, dass es ewig ist, denn es kann ja dann nicht durch etwas anderes verursacht worden sein. Doch es gab auch Zweifel an der Ewigkeit des Universums. Der Physiker Ludwig Boltzman

Gehen die Evangelien auf Augenzeugenberichte zurück?

In den vergangenen Jahrzehnten wurden diverse Theorien über die Entstehung der Evangelien hervorgebracht und darüber, welche Taten und Aussagen Jesu authentisch sind und welche später von der Gemeinde hinzugefügt oder neu interpretiert wurden. Manche vertreten die Auffassung, dass der historische Jesus in den Evangelien kaum zu erkennen sei, andere argumentieren, dass hier ein authentisches Portrait von Jesus gezeichnet wird. Für Ersteres ist wohl Rudolf Bultmann der bekannteste Name, Letzteres ist z.B. die Sicht des vorigen Papstes Benedikt XVI, die er in seinem dreibändigen Werk „ Jesus von Nazareth “ zum Ausdruck bringt. Ich muss gestehen, dass mich Lehrmeinungen, die große Teile der Evangelien als nachträgliche Ergänzungen und Interpretationen der Gemeinde sehen, nicht überzeugen. Da es keine historischen Dokumente gibt, anhand derer man verschiedene Entwicklungsstufen der Evangelien nachweisen könnte, scheint hier vieles Spekulation und Sache von vorgefassten Meinungen darüber z

Die lange Geschichte der Erde

Bis in das 18. Jahrhundert hinein überwog in Europa die Vorstellung, dass die Erde und die Menschheit ungefähr gleich alt seien. Man dachte, die Erde und ihre Flora und Fauna seien von Anfang an so gewesen, wie sie es heute sind. Diese Erwartung ist natürlich: Wir alle tendieren dazu zu denken, dass etwas immer schon so war, wie wir es gewohnt sind. Erst wenn wir mit Belegen für das Gegenteil konfrontiert werden, wird uns unser Vorurteil bewusst. Das Alter der Erde schätzte man auf einige Tausend Jahre. Auch das ist intuitiv erstmal naheliegend: alle unsere schriftlichen Aufzeichnungen und die mündliche Überlieferung über frühere Generationen bemessen sich in Tausenden von Jahren. Dies spiegelt sich auch in der Bibel wider: Wenn man die Listen über die frühen Generationen der Menschheit lückenlos und wörtlich versteht und auch die Schöpfungstage literalistisch als 24-Stunden-Tage versteht, kommt man ebenfalls auf Tausende von Jahren seit der Erschaffung der Welt. Doch es gab auch ande

Jona und der Fisch

Manchmal werde ich gefragt, ob ich als Naturwissenschaftlerin die biblische Geschichte von Jona glaube. Dabei geht es besonders um die Frage, ob Jona wirklich drei Tage im Bauch eines Fisches (oder Wals – damals hat man diesen Unterschied noch nicht gemacht) überlebt haben kann. Wissenschaftlich scheint das unmöglich. Das einzige Meerestier, das vom Durchmesser seiner Speiseröhre her einen Menschen verschlucken kann, ist meines Wissens der Pottwal. Doch wer tatsächlich von einem Pottwal verschluckt wird, stirbt gleich einen zweifachen Tod: Er wird von der ätzenden Magensäure verdaut und hat keinen Sauerstoff zum Atmen. Wenn Gott nicht ein Wunder tut, muss Jona also nach drei Tagen mausetot sein. Im Blogeintrag über die Auferstehung Jesu habe ich erwähnt, dass ich Wunder grundsätzlich für möglich halte. In einem späteren Beitrag möchte ich noch mehr zum Thema Wunder sagen. In diesem Beitrag zu Jona geht es mir aber um etwas anderes: Können wir dem biblischen Text Hinweise darauf entnehm